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Gratulation: Wirtschaftsnobelpreis für Oliver Hart und Bengt Holmström

13.10.2016

von
Univ.-Prof. Dr. Oliver Fabel

Die Arbeiten beider Wirtschaftsnobelpreisträger sind grundlegend für das Verständnis vertraglicher Beziehungen zwischen ökonomischen AkteurInnen.

Die Möglichkeiten der Kooperation zwischen ökonomischen Akteuren bestimmen Produktivität und Wachstum der Wirtschaft, aber auch jedes Unternehmens. Kooperation muss daher bestmöglich organisiert werden: die Handlungen der Akteure müssen so koordiniert werden, dass die übergeordnete Zielsetzung z. B. eines Unternehmens oder, allgemeiner, jeder ökonomischen Organisation von allen verfolgt wird. Überall dort, wo dies nicht oder nicht vollständig durch ein intrinsisches Motiv der Pflichterfüllung, gegenseitiges Vertrauen oder wechselseitigen sozialen Austausch erreicht wird, verlassen wir uns auf Verträge zur Harmonisierung der verschiedenen individuellen Zielvorstellungen, zur Koordination wirtschaftenden Handelns. Der diesjährige Alfred-Nobel-Gedächtnispreis der Schwedischen Reichbank würdigt mit Oliver Hart und Bengt Holmström zwei Wirtschaftswissenschaftler, deren Arbeiten grundlegend für das Verständnis solcher vertraglichen Beziehungen zwischen ökonomischen Akteuren sind. 

Bengt Holmström befasst sich vorwiegend mit der Ausgestaltung von Anreizverträgen. In Situationen, in denen Aufgaben auf andere übertragen werden müssen, sind die Handlungen dieser anderen durch den Auftraggeber oft nicht perfekt beobachtbar oder nicht verifizierbar durch Dritte, z. B. Gerichte oder andere Schiedsstellen, in Gruppen besteht zudem die Gefahr des Trittbrettfahrerverhaltens. Der Vertrag kann also nicht die beauftragte Leistung selbst honorieren. Er kann nur den messbaren Erfolg dieser Leistung vergüten. Mit der Vergütung dieses Erfolgs, der "Performance" des Agenten, wird jedoch auch (unternehmerisches) Risiko auf diesen übertragen, das eigentlich vom Auftraggeber zu tragen wäre. Bengt Holmström charakterisiert insbesondere die optimale Balance zwischen der Intensität finanzieller Anreize und der Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien. Das von ihm begründete "Informativeness"-Prinzip besagt, dass jede zusätzliche Information über die Bedingungen der Auftragserfüllung in die Vertragsgestaltung einfließen sollte, um die Risikoverteilung zu verbessern.

In gemeinsamer Arbeit mit Paul Milgrom wird die Gefahr der Verdrängung von Anreizen zur Erfüllung einer Aufgabe analysiert, die entsteht, wenn mehrere Aufgaben übertragen werden, die unterschiedlich intensiv erfolgsentlohnt werden. Bengt Holmströms Beiträge zur Vertragsökonomik sind heute Grundbausteine der modernen Personalökonomik, aber auch z. B. des Controllings und der Gestaltung öffentlicher Auftragsvergabe.

Unvollständige Verträge und die Entstehung von Steuerungsorganisationen oder, moderner, von "Governance"-Strukturen stehen im Mittelpunkt der Arbeiten von Oliver Hart. Ein Unternehmen oder, wiederum, jede wirtschaftende Organisation benötigt verschiedene Vermögenswerte ("Assets"), um erfolgreich zu wirtschaften: da ist zum einen die innovative Idee, zum anderen z. B. eine bestimmte Produktionsanlage und zum dritten vielleicht ein besonderer Vertriebsweg.

Der Versuch, die Verfügung über diese verschiedenen "Assets" zum Zweck der Verfolgung eines gemeinsamen wertschaffenden Projekts durch expliziten Vertrag zu regeln, scheitert daran, dass unmöglich spezifiziert werden kann, in welcher Art und Intensität jeder einzelne Vermögenswert in jeder nur vorstellbaren zukünftigen Situation einzusetzen und dieser Einsatz zu vergüten wäre. In gemeinsamer Arbeit mit Sanford Grossman und John Moore zeigt Oliver Hart, dass hier die Verfügungsrechte in einer Hand, in "Unternehmerhand", zusammenzuführen sind. Unternehmer, Halter aller Verfügungsrechte, sollte dann der Eigentümer desjenigen "Assets" sein, dessen Einsatz am schwierigsten explizit vertraglich zu regeln ist. Im Beispiel oben wäre dies vermutlich der Innovator. Dies stößt jedoch auf Grenzen, da nun auch das gesamte Risiko von diesem Individuum zu tragen wäre. In weiterer Arbeiten befasst sich Oliver Hart daher mit Finanzverträgen, die die Eingriffsrechte von Eigentümer und Investoren in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg regeln. Damit legt er z. B. ökonomische Grundlagen für das Insolvenzrecht und dessen Veränderungen, die praktisch alle modernen Wirtschaften in jüngerer Zeit durchlaufen haben. Anwendungen im engeren Sinn befassen sich mit der In- bzw. Outsourcing-Problematik und der kritischen Analyse von Privatisierungspolitiken des Staates.

Mit Oliver Hart und Bengt Holmström ehrt die Schwedische Reichsbank also auch zwei Wirtschaftswissenschaftler, deren Arbeiten die Grenze zwischen Volks- und Betriebswirtschaft überschreiten und damit zu den gemeinsamen Grundlagen der Fächer beitragen.